Evil West verspricht klassische Third-Person-Shooter/Brawler-Action ohne den ganzen neumodischen Schnickschnack, wie Lootboxen, Season Pässe, Open World und Zusatzkäufe. Das hat es auch geschafft. Warum das nicht immer gut ist und warum ich das Spiel (zumindest einer kleinen, sehr bestimmten Zielgruppe) dennoch empfehle, das lest ihr hier.

Entwickler Flying Wild Hog hat mit der Shadow-Warrior-Reihe bereits bewiesen, dass sie gute, aber eher stumpfe Arena-Shooter ohne viel Gedöns entwickeln können. Evil West versucht ebenfalls in diese Kerbe zu schlagen, bleibt aber weit hinter den Erwartungen zurück. Das liegt zum einen an der doch sehr inexistenten Story und den flachen Charakteren, zum anderen aber auch am repetitiven Spielprinzip und dem fehlenden Content.

Ich habe mir für euch die erste Stunde des Spiels angeschaut. Wenn ihr euch selbst vom Spiel überzeugen wollt, schaut euch dieses Video hier an:

Doch von vorne:

Das Setting von Evil West ist – wie der Name schon sagt – im Wilden Westen angesetzt, hat aber einen gewaltigen Kniff: Vampire! Wir spielen den kernigen Revolverhelden Jesse Rentier, der sich mit seinem Kampfhandschuh und einem kleinen Waffenarsenal ausgestattet durch die fiesen Blutsauger schnetzeln muss. Er ist der Sohn von William Rentier, der das Rentier Institut (RI) gegründet hat, welches sich der Erlegung von Vampiren widmet.

Begleitet wird er von seinem eigentlich im Ruhestand befindlichen Kollegen Edgar Gravenor. Bereits in der ersten Stunde Spielzeit wird klar, was Evil West für ein Spiel sein will: Kernige Cowboys schnetzeln Vampire brutal weg und kloppen uninspirierte Sprüche. Kein Gedöns, kein Schnickschnack, nur möglichst viel Blut, Gedärme und toxische Männlichkeit!

Aber Story und Charaktere sowie World Building sind in Evil West auch eher lästiges Beiwerk, was wirklich zählt sind die Kämpfe! Die fanden die Entwickler auch so gut, dass sie sie alle zwei Meter eingebaut haben. Wir rennen buchstäblich von Arena zu Arena und kloppen uns mit Draculas hässlichen Kindern. Dabei wechselt ab und an die Kulisse, weil wir uns in unterschiedlichen Gebieten befinden. Außerdem stehen in den Arenen wahlweise Stachelkäfige oder TNT herum, welches wir im Kampf einbauen können, um Gegner zu töten.

Das Kampfssystem ist dabei so stumpf wie die Charaktere. Mit unserem Kampfhandschuh prügeln wir Gegner durch die immer gleichen Arenen, um sie schlussendlich mit einem möglichst brutalen Todesstoß in mindestens zwei Teile zu zerlegen. Unser im Laufe des Spiels stetig wachsendes Waffenarsenal gibt uns immer mehr Möglichkeiten, die Blutsauger (Tics, wie sie im englischen genannt werden) zu häckseln. Ich würde an dieser Stelle gerne sagen, dass die Kämpfe keinen Spaß machen und dass die ständige Knüppelei und Ballerei irgendwann eintönig wird, aber das kann ich nicht. Zumindest nicht hundertprozentig.

Lasst mich erklären. Es gibt gefühlt ungefähr 15 Gegnertypen, die uns das Spiel immer wieder in den Ring wirft. Fast alle brauchen unterschiedliche Herangehensweisen, um sie in ihre Schranken zu weisen. Die klassischen Kanonenfutter-Standardvampire beispielsweise kann man gut im Nahkampf bearbeiten, während fliegende Viecher präzises Timing mit der Flinte verlangen. Die großen Orkviecher muss man im richtigen Moment kontern, um ihre schweren Angriffe zu unterbrechen, oder ihnen ausweichen und sie mit dem Revolver bearbeiten. Das bringt wirklich viel Dynamik in die Kämpfe und macht das Spiel sogar sehr fordernd, da man fast strategisch gegen die hereinbrechenden Horden vorgehen muss.

Dumm ist nur, dass 15 verschiedene Gegnertypen wirklich nicht ausreichen, um ein vielschichtiges Gegnerdesign zu schaffen.

Gerade, weil die Kampfdichte in Evil West unfassbar hoch ist. Wir sprechen hier von buchstäblich zehn Metern zwischen zwei Kampfarenen, da werden diese Gegner einfach sehr schnell sehr eintönig. Die Schwierigkeit in den Kämpfen wird hauptsächlich durch die Menge der eintreffenden Vampire erzeugt, können aber auch schnell unfair und frustrierend werden. Durch die große Feinddichte und die doch sehr hohen HP verlieren die Kämpfe teilweise an Geschwindigkeit und Intensität und fühlen sich im Laufe des Spiels mehr wie eine Notwendigkeit als ein Segen an.

Das hilft Evil West auch nicht gerade, da das Spiel wenig anderes bietet. Die Story ist nebensächlich, die Mechaniken eher undynamisch und Rätsel begrenzen sich auf die klassischen “Tomb Raider schiebe Blöcke durch die Gegend um Brücke zu bauen”-Geschichten. Grundsätzlich hatte ich selten das Gefühl, dass mich ein Spiel so sehr intellektuell unterfordert, wie es Evil West tut. Es ist, als hätten die Entwickler Angst gehabt, dass Spieler Reißaus nehmen, wenn sie auch nur eine Hirnzelle benutzen müssten. Das führt dummerweise dazu, dass die Kämpfe irgendwann wahnsinnig öde sind und durch den Mangel an Abwechslung einfach auch wenig anderes Gutes am Spiel zu finden ist.

Zusätzlich sind die Charaktere so generisch, dass ich mir buchstäblich aufschreiben musste, wie sie heißen, um sie nicht unmittelbar zu vergessen. Ich habe mir nicht aufgeschrieben, wie die Böse im Spiel (ein kleines, irres Vampirmädchen übrigens; auch überhaupt gaaaar kein Klischee) heißt und kann es euch deshalb beim besten Willen nicht sagen. Ich habe das Spiel jetzt acht Stunden intensiv gespielt, bin ihr mehrfach über den Weg gelaufen und habe gegen sie gekämpft, aber kann mich wirklich beim besten Willen nicht an ihren Namen erinnern.

Evil West ist das, was herauskommt, wenn Polemiker, die der Meinung sind, dass moderne Spiele „eh viel zu woke und mit Story gefüllt sind“, sich in den Kopf setzen „endlich mal wieder ein gutes altes Spiel, wie Doom oder Duke Nukem“ in die Neuzeit zu übersetzen.

Wenn ihr also wirklich Bock habt auf nur Schnetzeln, euer Hirn maximal aus dem Fenster hängen wollt und kleine Vampirmädchen gar nicht mal so abgedroschen findet, dann könnt ihr für 50 (!) Euro das Spiel auf PC, Xbox One, Xbox X/S, sowie Playstation 4 und 5 spielen. Alle anderen sollten Abstand davon nehmen. Ihr werdet enttäuscht werden.